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Bio-Bauer und Rockstar. Peter Maffay hat ein sehr persönliches Buch über Gut Dietlhofen geschrieben. Von Peter Stöbich

Peter Maffays Buch stand auf der Bestsellerliste des "Spiegel". Foto: Lübbe-Verlag

Weilheim – "Es gibt noch so viel zu tun", stellt Peter Maffay am Schluss seines neuen Buches "Hier und jetzt - mein Bild von einer besseren Zukunft" fest. Auf 250 Seiten lädt er die Leser zu einem interessanten Rundgang über seinen Biohof Dietlhofen ein, verbunden mit sehr persönlichen Einblicken in sein Leben als Musiker. Unter anderem erzählt er auch von seinen Freundschaften mit Sigmar Gabriel, Frank Elstner, Leslie Mandoki und anderen Persönlichkeiten.

Das 70 Hektar große Anwesen bei Weilheim hatte er vor fünf Jahren erworben und von Anfang an für die Aktivitäten seiner Stiftung zur Verfügung gestellt. Für den landwirtschaftlichen Betrieb und den Hofladen war eigens eine Betriebs-GmbH gegründet worden. Dietlhofen ist ein Ort, der sich schwer mit Worten beschreiben lässt, denn er verkörpert für jeden etwas anderes – abhängig davon, was derjenige dort zu finden hofft. Es gibt dort Alpakas, Bisons, Esel, Hühner, Katzen, Pferde, Fischweiher, Getreidefelder und Streuobstwiesen, einen Hofladen sowie ein Ferienhaus, in dem Kinder aus prekären Verhältnissen sowie kranke und traumatisierte Jugendliche unbeschwerte Tage in intakter Natur verbringen können.

Ein magischer Mikrokosmos

Das Ganze ist wie ein Mikrokosmos samt Fußballfeld und Spielplatz, Scheunen und Stallungen, für Maffay ein „magischer Ort" der Ruhe und Nähe zur Natur. "Es gibt nichts Sinnvolleres und Schöneres, als die Natur zu erleben und zu fühlen", so der Autor.

Als Vater eines 16-jährigen Sohnes und einer eineinhalb Jahre alten Tochter macht er sich unter anderem Gedanken über die Zukunftschancen von Kindern, über Natur-, Umwelt- und Klimaschutz sowie über Fragen des Glaubens und der Religion. "Wichtig ist, dass wir uns alle mit den drängenden Fragen unserer Zeit auseinandersetzen und uns positionieren", betont Maffay in seinem Buch, das im Lübbe-Verlag erschienen ist. "Wenn wir wollen, dass etwas passiert, müsen wir handeln, hier und jetzt!"

Gut mit einer bewegten Geschichte

Dietlhofen kann auf eine sehr lange und bewegte Geschichte zurückblicken. Urkundlich erwähnt wird der Name erstmals im Jahr 1160, jedoch gibt es aufgrund von Gräberfunden Hinweise auf eine Besiedelung bereits in frühchristlicher Zeit. Die Via Raetia, eine alte Römerstraße, führte ganz nah am Gelände des heutigen Guts vorbei.

Über die Jahrhunderte wechselte das Anwesen wiederholt den Besitzer, immer wieder wurde es von Klostergemeinschaften bewirtschaftet. Im 14. Jahrhundert fanden dort feierliche Gerichtsverhandlungen statt, was sehr ungewöhnlich für einen Einödhof ist. Das Gutshaus wurde wohl um 1693 in seiner ersten Form erbaut.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Dietlhofen weithin bekannt für seine großen Viehmärkte, zu denen Bauern und Händler aus der ganzen Gegend anreisten. 1933 wurde der Hof von Ursula und Hans-Karl von Mangoldt erworben, die hier Zuflucht vor dem nationalsozialistischen Regime fanden. Ursula von Mangoldt war die Nichte Walther Rathenaus, des 1922 ermordeten jüdischen Reichsaußenministers. Bis ins hohe Alter pflegte sie Kontakte zu weltbekannten Künstlern, Wissenschaftlern, Geistlichen und Politikern, von denen sie viele in Dietlhofen willkommen hieß.

Nach dem Tod Hans-Karl von Mangoldts wurde das Gut 1973 von Alfred Wenig erworben. Er war ein Forschergeist, der sich bereits in den 1970-er Jahren der biologischen Landwirtschaft zuwandte – in einer Zeit also, in der naturnahe Bewirtschaftung, Verzicht auf Kunstdünger und Pestizide noch auf viel Spott und Unverständnis trafen.


Es gibt Bisons und Bio-Forellen

Mitte der 1980er Jahre stellte Alfred Wenig wegen der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl die Bewirtschaftung ein, die Landwirtschaft ruhte bis zu seinem Tod. Dennoch wurde der Bestand immer sorgsam gepflegt. Aufwendige Schutzmaßnahmen für alte Bäume und Biotope und die Pflanzung von Mischhecken und Alleen haben Dietlhofen zu einem kleinen Paradies mit großem Tier- und Pflanzenreichtum gemacht.

Wenig starb im Jahr 2009, als Erbin setzte er seine Stiftung ein, die „Golden Kreuz Mission", die später in „Nehemiah Gateway Services" umbenannt wurde. Von ihr hat Maffay das Gut im Herbst 2015 erworben.

Auf dem Hof lebt eine kanadische Bisonherde; in Deutschland gibt es davon nur ganz wenige. Im Hofladen kann man unter anderem Bisonfleisch zum Grillen kaufen; es ist mit Bio-Zertifikat eine absolute Rarität in Deutschland.

Die Bisonherde wurde 2011 von einem Züchter erworben, der seine Stammherde 1995 direkt aus Kanada eingeführt hatte. 2012 gab es ersten Nachwuchs auf dem Gut. Die Jungbullen bilden heute eine eigene Herde und liefern hochwertiges Fleisch. Die Tiere werden ohne Hormone, wachstumsfördernde Stoffe oder subtherapeutische Antibiotika gezüchtet.

Fische aus der Bio-Forellenzucht im hofeigenen Teich werden auf Bestellung ganz frisch gefangen. Für Kinder, die in Dietlhofen zu Besuch sind, ist es immer eine große Freude, die Tiere zu beobachten und bei ihrer Fütterung zu helfen.

In seinem Buch erzählt Maffay, wie er auf dem Gut mit dem Fahrrad seine frischen Frühstückseier holt, Gemüse und Kräuter anbaut oder im Wald die Ruhe nach seiner Studio- und Büroarbeit genießt. Wie erfüllend es für ihn ist, den Hof zu einer Begegnungsstätte zu machen und wie ein neues Verständnis von Natur und Schöpfung uns Sinn und Orientierung geben kann.

Kinder können Kraft tanken

Im Rahmen von Reit-Workshops bei der Tabaluga-Kinderstiftung lernen Jugendliche Pferde und Ponies aus nächster Nähe kennen, dürfen sie striegeln und reiten oder – wenn sie besonders mutig sind – sich sogar im Voltigieren versuchen. Diverse Bildungsangebote wie Musik, Tanzen, Kochen, Projekte zur Vermittlung von gesunder und bewusster Lebensweise und kreative Workshops finden stets großen Anklang. Den nur wenige Minuten entfernten Dietlhofer See, der direkt ans Gutsgelände grenzt, kann man im öffentlichen Bereich als Badesee nutzen.

Das Wichtigste aber ist das neue Tabaluga-Haus, die erste behindertengerechte Einrichtung der Maffay-Stiftung. Benachteiligte Kinder und Jugendlichen erleben die Arbeit und das naturverbundene Leben in der Landwirtschaft hautnah mit, kommen mit den Tieren in Berührung und werden – wenn sie dies möchten – unter Anleitung in die Tätigkeiten des Gutes mit einbezogen. Maffay: "Es ist das schönste Geschenk für uns, zu beobachten, wie die Kinder Kraft tanken, ausgelassen spielen und toben, aus sich herausgehen und nicht selten auch neues Selbstvertrauen gewinnen."

Für mehr als eine Million Euro entstand außerdem eine sogenannte Begegnungsscheune. Denn Dietlhofen soll auch ein Ort sein, an dem sich Menschen mit unterschiedlichen Interessen zu verschiedenen Anlässen treffen und austauschen. Sei es zum Gottesdienst in der Kirche, zu Kaffee und Kuchen im Gutscafe, zum Einkauf im Hofladen, zum Verweilen in der Natur oder zu kulturellen Veranstaltungen.

"Wenn jeder dazu beiträgt und sein Gegenüber unabhängig von Herkunft, Religion und Geschlecht respektiert, einen kleinen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leistet und das Gemeinwohl über den Eigennutz stellt, dann ist eine bessere Welt keine Utopie mehr", sagt Maffay.

Er wurde am 30. August 1949 im rumänischen Kronstadt geboren. Zusammen mit dem deutsch-ungarischen Vater zog die Familie 1963 nach Deutschland. Schon als Jugendlicher gründete er seine erste Band „The Dukes", nebenher spielte er solo Gitarre bei Veranstaltungen und in Clubs. 1969 veröffentlichte er seine erste Single mit dem Titel „Du". Sie verkaufte sich überdurchschnittlich gut und machte ihn über Nacht zu einem Star in Deutschland.

Engagement in der Politik

Aber auch die Niederlagen werden im Buch "Hier und jetzt" nicht ausgespart. Es traf den Musiker hart, als er 1982 im Vorprogramm der Rolling Stones ausgebuht und von den Fans mit Eiern und Tomaten beworfen wurde. Das Album „Tattoos" bewies durch seine Verkaufszahlen aber erneut, dass er eine feste Konstante auf dem deutschen Musikmarkt war.

Neben seiner künstlerischen Arbeit ist Peter Maffay politisch und gesellschaftlich engagiert und verleiht seinen Ansichten zum Teil auch in Liedern Ausdruck wie im Song "Eiszeit", der Kriege und Umweltprobleme thematisiert. Er ist in der Friedensbewegung aktiv und gab 2005 ein Konzert bei den deutschen ISAF-Truppen in Afghanistan. 2008 sang er zusammen mit Rolf Zuckowski und Nena den Themensong zur Aktion "Ein Herz für Kinder."

Er gründete im Jahr 2000 eine Stiftung, die jährlich rund 1800 benachteiligten, kranken und traumatisierten Kindern in vier Ferieneinrichtungen in Deutschland, Spanien und Rumänien eine Auszeit inmitten der Natur bietet. Für sein Engagement wurde Maffay unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

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