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"Ernesto, der Seebär – Vom Tretauto zum Schlachtschiff" Teil 3: Hat sich mein Leben gelohnt? Folge 72

Jetzt arbeitet der "Seebär" auf dem Festland. Graphik: Pax et Bonum Verlag.

Folge 72

Ich wollte also Wera näher kennenlernen als nur am Krankenbett meiner Mutter und holte sie jeden Abend an der Rudolf Steiner Klinik in Den Haag ab. Wir fanden Gefallen an einander und eines Abends sollte ich ihre Mutter kennenlernen. Der Termin war fest ausgemacht, sie hatte kein Telefon. Ausgerechnet an dem Abend sollte meine Mutter entlassen werden. Ich bat sie wegen der Verabredung, doch bitte noch einen Tag länger zu bleiben. Nein, ich möchte nach Hause. Ich eröffnete ihr, dass ich sie nicht abholen könne, weil Wera's Mutter kein Telefon hat und sie auf uns im „Seinpost", einem Restaurant am Boulevard in Scheveningen, warten würde. „Wenn dir diese Frau wichtiger ist, als ich, dann kommst Du mir nicht mehr in die Wohnung". Also ein Rausschmiss erster Ordnung. Ich nahm mir, da ich sie kannte, vorsichtshalber von zuhause meine Zahnbürste und zwei Garnituren Unterwäsche mit und sie setzte es durch, statt mit mir mit einem Taxi nachhause zu fahren. Mit Wera's Mutter, eine ganz liebe einsame Frau (von Wera's Vater verlassen), machte ich Bekanntschaft und kehrte mit Vorahnung in mein bisheriges Domizil zurück.

Wie erwartet, stak innen der Schlüssel. Ich machte auf dem Absatz kehrt und stieg wieder ins Auto. Wera's Vater nahm mich auf und erwartungsgemäß kam in der Nacht ein Anruf einer Tante aus Rotterdam, wenn ich meine Mutter noch lebend sehen wollte, sollte ich sofort nachhause kommen. Und siehe da, die Wohnungstür war nunmehr angelehnt und ich trat ein, hinter mir Wera, die als Krankenschwester die nötige Erfahrung gehabt hätte, wenn etwas Schlimmes passiert sein sollte. Die Mutti lag wie bewusstlos auf der Couch und simulierte einen Herzinfarkt. Als sie Wera erblickte, sprang sie wie eine Furie von der Couch und wollte sich auf Wera stürzen, was ich verhinderte. Wera rief inzwischen den Notarzt, der auch sofort kam. Seine erste Frage: Was wird hier gespielt? Er hatte die Situation sofort durchschaut. Er gab ihr eine Beruhigungsspritze und verschwand, nicht bevor er mir riet, sämtliche Medikamente, die ich fand, sicherzustellen.

Nach einigen Tagen Unterschlupf bei Wera fand ich in ihrer Nähe ein Zimmer bei einer bezaubernden alten Dame, die die vielen Zimmer ihres Hauses an alleinstehende Herren aller couleur vermietete. Kontakt zu meiner Mutter gab es nicht mehr. Ein Anruf bei ihrem Rechtsverdreher ergab, dass sie nach München zu meiner Schwester abgereist war. Und mein ganzes Hab und Gut war noch in der Wohnung! Guter Rat war teuer. Glücklicherweise war Elsje zuhause, die, wie gesagt, nebenan wohnte. Auch Jan, ihr Mann, war einige Tage aus Amsterdam bei ihr zu Besuch. Wir spähten hinüber auf unseren Balkon, wo in meinem Zimmer glücklicherweise das Oberlicht gekippt war. Jan, ein Kopf größer als ich, wusste sofort Rat. Wir wohnten im ersten Stock. Im Garten gab es Bretterzäune, einer davon war unter uns. Jan nahm eine Leiter, stellte die unterste Sprosse auf den Bretterzaun und hantelte sich auf unseren Balkon. Diese Aktion wurde dadurch erschwert, weil sich zwischen unseren Balkonen ein je 1 Meter breiter Vorratsschrank befand. Nun ging der rechte Fuß auf eine Sprosse in Höhe des ersten Stocks, Gleichgewicht halten, den linken Fuß nachziehen, Gleichgewicht halten und hoffen, dass die Sprosse auf dem schmalen Bretterzaun nicht durchbricht, rechten Fuß auf den Sims unseres Balkons, hinüber langen, 'rüber ziehen, auf den Balkon klettern und schon waren wir nach dreimaliger Wiederholung dieser riskanten Aktion alle vier drüben. Jan hebelte oben das Oberlicht aus, wir hoben ihn hoch und er schlüpfte auf seinem Bauch in mein Schlafzimmer, hielt sich aber oben noch mit den Füßen fest und machte eine Rolle nach hinten. Die Tür sperrte er sodann auf und wir konnten in meine Wohnung. Ich sammelte meine sämtliche Habe, nicht zu vergessen meine Eisenbahn, an der ich so sehr hing, machten eine Liste der Mitnahmen und verließen die Wohnung über den gemeinsamen Balkon an der Straßenseite, der keinerlei Schwierigkeiten bot, aber vorher verriegelt war. Nur konnten wir die vordere Balkontür nicht mehr von außen absperren und ließen sie, so weit zugezogen wie es ging, angelehnt offen. Von den Nachbarn hat keiner etwas mitbekommen, was bedeutet, wie egal anderen Leuten ein sichtbarer Einbruch ist.

Fortsetzung folgt

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