Schondorf – Es ist schon spannend, wenn man einen leibhaftigen Landrat auf der Bühne sieht. Umso interessanter ist es, wenn sich der Politiker mit nur wenigen Eingriffen von Maske und Kostüm – Perücke, Schnurbart, Flatcap – in eine komplett andere Person verwandelt. Gestern Abend war diese Veränderung am Landkreischef Thomas Eichinger auf der Bühne im Landheim Ammersee in Schondorf greifbar. Aber genau das macht den Reiz von Theater aus. Es ist alles Illusion und so aufregend wie ein Fußballspiel, wie der große Felix von Manteuffel in einem Interview einmal feststellte.
So ist auch der Krimi, "Der unerwartete Gast", den Alex Dorow mit seiner Gruppe, der "Jakobsbühne Schondorf" unter begeistertem Premierenbeifall inszenierte, ein vertracktes Spiel mit Vorstellungen, Meinungen, Vorurteilen und Anspielungen. Man musste sich erst mal an die gestelzte Sprache von Agatha Christie gewöhnen, die das ungewöhnliche Kriminalstück geschrieben hatte, um seine eigenen Mutmaßungen über den Mörder, den es in jedem Stück der englischen Autorin gibt, zu korrigieren. Es könnte auch alles ganz anders sein, als der Zuschauer annimmt, so die zugrundeliegende Botschaft. Jede der Figuren im Hause Warwick in einem Nebelkaff in Wales hätte wohl ein Motiv gehabt, den exzentrischen, unangenehmen an den Rollstuhl gefesselten ehemaligen Großwildjäger und Kotzbrocken Richard Warwick, dessen Hobby es ist, auf alles, was vier Beine hat, zu schießen, in's Jenseits zu befördern.
An erster Stelle natürlich Laura Warwick die Ehefrau von Warwick (großartig im Spiel und wunderbar mit der blonden Perücke als englische Lady Alexa Dorow), die von ihrem Mann, permanent gedemütigt wurde, Major Farrar (sehr glaubwürdig in seiner Rolle Rainer Jünger), der mit der Frau des Ermordeten eine Affäre hat, Butler Angell (Martin Rempfer, der in seinem unterwürfigen Sprachduktus an Riffraff in der Rocky-Horror-Picture-Show erinnert), der gerne ein Sanatorium für Säufer gründen würde und Geld braucht, Mrs. Warwick senior, die Mutter des Mordopfers, die ihren Sohn eigentlich hasst (sehr überzeugend als Grand Dame Claudia Dszida), Jane Warwick, Richards Schwester, die eigentlich in's Irrenhaus gehört (wunderbar durchgeknallt Kristina Klocke) oder auch Mr. Lanning, der Gärtner (schön naiv dargestellt von Josef Linden), der von Richard Warwick gefeuert wurde. Dazwischen wuselt in der Figur von Raul Bennett immer ein undurchsichtiger Anwalt und Onkel von Jane über die Bühne, den man so gar nicht einordnen kann (sehr schönes Spiel von Michael Schulz). Zu guter Letzt wird die menschliche Staffage ergänzt durch Inspektor Thomas (Peter Förg erinnert in seiner Art an die Detektivfiguren der deutschen, pseudoenglischen Fernsehkrimis der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts) und seine literaturverliebte Assistentin Sergeant Cadwallader (Ariane Casagrande sehr gut in der Rolle der verkannten Dichterin). Bleibt noch die Hauptperson Michael Starkwedder (Thomas Eichinger brilliert in dieser Rolle), der so besorgt um die Hausherrin ist wie letztlich undurchsichtig bleibt. "Verbrechen ist kein Kinderspiel", wie es in dem Theaterstück heißt, wird allen Beteiligten sehr schnell klar.
Regisseur Alex Dorow schuf nach langer coronabedingter Pause mit seiner Inszenierung des "Unerwarteten Gastes" wieder mal ein wunderbares Stück Theaterkultur am Ammersee, in dem die Spannung bis zur Auflösung am Schluss durchgehalten wird und zeichnete die Figuren des Spiels höchst authentisch. Dabei ist es gar nicht so leicht elf Darsteller von vergleichbar hohem schauspielerischen Niveau zusammen zu bringen. Auch dafür gebührt dem Landtagsabgeordneten Dank. Den langanhaltenden Applaus für einen vergnüglichen Theaterabend haben Dorow und sein Team von den rund 150 Zuschauern zu recht verdient. https://theater-schondorf.de/
Weitere Aufführungen:
In Schondorf: Aula Landheim Ammersee
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