Landsberg am Lech – Franz Hartmann ist praktisch. "Komm' am Samstagnachmittag einfach zwischen 14 und 18 Uhr. Ich  bin sowieso die ganze Zeit da. Kann natürlich sein, dass ich für zehn Minuten weg muss zum Baumarkt, Schrauben besorgen, oder was sonst hier gebraucht wird", sagt er zu mir, um den Termin zu bestätigen. Der 1. Vorsitzende des Vereins "Kunst hält Wache" hat viel zu tun im Wachhäuschen, wo ich ihn besuchen möchte. Ich will wissen, wie es weitergeht mit dem Landsberger Kunstsommer und überhaupt mit den Aktivitäten seines Vereins. Der hatte voriges Jahr eine grandiose Gemeinschaftsausstellung von 30 Künstlern im Wachhaus auf dem ehemaligen Gelände einer Munitionsfabrik der Nazis im Frauenwald bei Landsberg organisiert. Diese Schau "75 Jahre Frieden im eigenen Land" hatte überregional Aufsehen erregt. Das Fernsehen war da, die Süddeutsche Zeitung berichtete in einem Riesenartikel über das Projekt. Kein Medium kam an dem Ereignis vorbei. Die Besucher fanden's großartig. Soviele unterschiedliche Ansätze zu Krieg und Frieden, soviel Kreativität zum Thema. An diesem ungewöhnlichen, mit brauner Vergangenheit hoch belasteten Ort in der Nähe zur der Stadt, in der ein ehemaliger Gefreiter des Ersten Weltkriegs im Gefängnis ein Buch schrieb, das zur Inkunabel des Verderbens einer ganzen Nation wurde. 

"Wachhäuschen" ist allerdings ein Euphemismus für den Bau aus der Nazizeit. Sowie auch die Bezeichnung "Frauenwald" kaum Böses Ahnen lässt. Wahrscheinlich gehörte es zu einem Frauenkloster in Landsberg und war eine der materiellen Grundlagen, die den Nonnen das Beten erleichterte ohne die Beschwernis sich um den Broterwerb kümmern zu müssen. Dessen Architektur strahlt Hochmut aus. Es sollte, davon bin ich überzeugt, dem Besucher das Gefühl geben, dass er ein kleines Wesen sei. Aber diese Zeiten sind gottseidank vorbei. 

Ich sitze mit Franz – wir haben uns schon beim Telefonat geduzt, nachdem wir uns mehrmals auf Facebook geschrieben haben – auf der Stufe zum Eingang des Hauses. Der Himmel ist grau, es nieselt. Später am Nachmittag wird es kräftig regnen. Davon sind wir noch stundenlang entfernt. Gegen das Himmelsdunkel scheint sogar der helle leicht sandfarbene massive Tufstein, aus dem die tragenden Säulen des Wachhauses gemacht sind, ein Farbtupfer zu sein. Von der Ostseite aus gesehen, wirkt der Bau gar nicht so groß. 

"Wenn Du drin bist, dann glaubst Du nicht, wieviele Zimmer die Wache hat. An die vierzig", erklärt mir Franz Hartmann, der sich gerade eine Zigarette dreht und mit seinem Hund spricht. Ein junge Dame von etwa vier Jahren, sehr sympathisch, riesengroß. Das mit dem "Mach Sitz" hat sie noch nicht ganz verinnerlicht. Auch nicht vor Zuschauern – oder vielleicht gerade deswegen.

Hier einen Kabelanschluss setzen, dort ein Klo reparieren, den Boden lackieren, solche Art Hausmeistertätigkeiten macht der Mitdreißiger mit weiß-grauem Bart und Haaren auch. Das sind aber nicht seine Hauptaufgaben. Er ist in Vorbereitung für die kommende Ausstellung. Sie trägt den Titel "Holzwege". Zwölf Künstler zeigen ihre Arbeiten zum Thema ab Donnerstag, 5. August bis Sonntag, 15. August.

Franz Hartmann sprudelt nur so vor Material, über das er mit mir spricht. Da ist das Bühnenprogramm, das zeitgleich mit der Ausstellung "Holzwege" am Donnerstag, 5. August, beginnt. DJ Rupen heizt dem Publikum ein, Ricardo Volkert versprüht den Flair spanischer Kultur und natürlich dürfen die Poetry Slammer von Leni Gwinner nicht fehlen. Franz terminierte die Bühnenauftritte von Poetry-Slammern, er koordinierte die Workshops in der Alten Wache. Leni Gwinner fängt ihren Poetry-Slam-Workshop am nächsten Wochenende an. Lennart Hüper führt in seinem Kurs in die Geheimnisse des Filme-Machens ein, Leila Morgenstern bietet einen Kunst-Workshop an und mit Regisseur Luis Lüps kann man Theater spielen.

Ein Kurs lief bereits. Es war Noah Cohens Fotografieworkshop. Im Haus selbst leitet der Zeichner und Illustrator Paul Rietzl gerade das erste Modul eines Comicworkshops. Es folgen noch zwei weitere. Acht Kinder sollen sich was zum Thema "Wald" ausdenken. Tief sind sie in ihrer Blätter versenkt, als ich den Raum betrete. Konzentriert sind sie. Sie bemerken kaum meine Anwesenheit. 

Aber das ist schon alles organisiert. Die Namen stehen fest, die Prospekte sind gedruckt. Aktuell gibt es noch ein  Projekt für den "Landsberger Kultursommer". Es läuft unter dem Namen "Happening für die Kunst". Der Kultursommer ist mit 250.000 Euro gut augestattet. Das Happening ist nur ein Teil davon. 80 Prozent kommen vom Bund, der Landkreis beteiligt sich mit 20 Prozent. Sponsoren sind auch dabei. Die Stiftung der Sparkasse Landsberg-Dießen, die Kulturstiftung Oberbayern und auch der Bezirk Oberbayern, eine lokale Wochenzeitung. "Ich kann mich nicht beklagen", freut sich Hartmann

Allerdings haben sich über 21 mit ihren Konzepten um eine Teilnahme beworben. "Wir haben in der Ausschreibung gefordert, dass sich die Einsender kurz fassen sollen". Das ist scheinbar ein Begriff, der sich unterschiedlich interpretieren lässt. "Einer hat elf Seiten geschrieben. Wir baten ihn das Exposé zu kürzen. Dann waren es immer noch sechs", stöhnt Franz. Jetzt geht es an die Auswahl. Nicht alle Kreative kommen zum Zug. Gerade noch führte Franz eine Diskussion mit Janos Fischer über das Notensystem. Sie einigten sich auf die Vergabe von 0 bis 10 Punkte. Wer 10 hat liegt gut im Rennen. Zu den Juroren gehören eine junge Frau – "wir müssen auch die Jugendlichen repräsentieren" – und Annunciata Foresti. 

Während wir uns vor dem Gebäude unterhalten kommt der Graffiti-Künstler ERWA alias Vincent Gohlich. Er hat einen Raum komplett schwarz ausgemalt – auch den Boden – und an den Wänden geometrische Formen gemalt. Übrigens, darauf weist Franz hin, ist das Malerei. Er belehrt mich, "nicht Graffiti". 

Am 1. August soll die Jury entschieden haben, dann stehen die Künstler für das "Happening für die Kunst" beim Landsberger Kultursommer fest.

Paul Rietzl zeigt Kindern, wie man ein Comic zeichnet. Foto: Alois Kramer
Wie ein sogenanntes Kaleidoskop wirkt diese Malerei von ERWA. Foto: Alois Kramer